Die Zukunft der Fachkraftquote in der Pflege: Warum der Qualifikationsmix die bessere Alternative ist

Die Fachkraftquote in der Pflege wurde einst eingeführt, um eine hohe Pflegequalität sicherzustellen. Doch in den vergangenen Jahrzehnten hat sich gezeigt, dass dieses starre System nicht mehr den aktuellen Anforderungen gerecht wird. Die ursprüngliche Idee basierte nicht auf wissenschaftlichen Studien, sondern war eine politische Entscheidung. Heute stehen Pflegeeinrichtungen vor neuen Herausforderungen, die eine flexible Personalplanung erfordern.

Als die Fachkraftquote eingeführt wurde, war der Pflegebereich noch nicht mit den heutigen regulatorischen Anforderungen konfrontiert. Inzwischen sind zahlreiche Maßnahmen hinzugekommen, darunter regelmäßige Begehungen durch Heimaufsichtsbehörden, Qualitätsprüfungen durch den Medizinischen Dienst sowie die Maßstäbe und Grundsätze nach § 113 SGB XI. Diese Entwicklungen haben die Arbeitsweise in Pflegeeinrichtungen grundlegend verändert. Während die Fachkraftquote früher eine sinnvolle Orientierungshilfe war, ist sie heute ein starres Konstrukt, das der Vielfalt der Pflege- und Betreuungsangebote nicht mehr gerecht wird.

Die PeBeM-Studie von Professor Rothgang zeigt, dass es keinen gesicherten Nachweis dafür gibt, dass eine hohe Fachkraftquote automatisch zu einer besseren Pflegequalität führt. Das bedeutet nicht, dass qualifizierte Pflegekräfte überflüssig wären – vielmehr zeigt es, dass Qualität von vielen Faktoren abhängt.

Die entscheidende Frage ist nun, wie die einzelnen Bundesländer die Bundesempfehlung nach § 113c Abs. 4 SGB XI umsetzen. In der „Gemeinsamen Empfehlung“ heißt es, dass die Fachkraftquote für die Mindestausstattung gemäß den jeweiligen ordnungsrechtlichen Bestimmungen gilt. Darüber hinaus soll ein Qualifikationsmix eingeführt werden, um den individuellen Bedürfnissen der Pflegebedürftigen gerecht zu werden.

Ein Qualifikationsmix berücksichtigt die verschiedenen Anforderungen innerhalb einer Pflegeeinrichtung besser als eine starre Quote. Starre Vorgaben, wie z. B. ein Verhältnis von 1:45 im Nachtdienst oder 1:30 im Tagdienst, berücksichtigen nicht den tatsächlichen Pflegebedarf. Es macht einen großen Unterschied, ob 30 Bewohner Pflegegrad 5 oder Pflegegrad 1 haben.

Ein einrichtungsbezogener Qualifikationsmix analysiert genau, welche Bewohner in der Einrichtung leben und welcher Personalbedarf daraus resultiert. Falls weiterhin Präsenzvorgaben existieren, sollten diese an den Casemix der Einrichtung angepasst werden, statt pauschal Fachkräfte zu verteilen.

Ein erfolgreicher Qualifikationsmix basiert auf einer klaren Aufgabenverteilung: Pflegehelfer:innen (QN1/2) übernehmen unterstützende Tätigkeiten, während qualifizierte Pflegehelfer:innen (QN3) auf Basis ihrer Ausbildung arbeiten. Pflegefachkräfte (QN4) konzentrieren sich auf komplexe pflegerische Aufgaben, Anleitung und Koordination, um den Pflegealltag optimal zu organisieren.

Die Befürchtung, dass eine Abkehr von der Fachkraftquote zu einer Absenkung der Pflegequalität führt, ist unbegründet. Im Gegenteil: Durch eine gezieltere Aufgabenverteilung steigt die verfügbare Fachkraftzeit um bis zu 130 %, wie Professor Rothgang in einem Vortrag auf der Altenpflegemesse 2022 erläuterte.

Langfristig wird die bisherige Fachkraftquote durch einen bedarfsgerechten Qualifikationsmix ersetzt. In einer durchschnittlichen Einrichtung ergibt sich dabei folgende Verteilung: 38 % der Arbeitszeit entfällt auf Pflegefachkräfte (QN4), 32 % auf qualifizierte Pflegehelfer:innen (QN3) und 30 % auf nicht ausgebildete Pflegehelfer:innen (QN1/2).

Dies bedeutet keinen Qualitätsverlust, sondern eine effizientere und professionellere Pflege. Ein hoher Anteil an Pflegefachkräften allein garantiert keine bessere Versorgung, wenn diese nicht ihre eigentlichen Aufgaben wahrnehmen können. Entscheidend ist eine kompetenzbasierte Arbeitsverteilung.

Quelle:
Wipp, M., Stöcker, M. & Sausen, P. (2023). Praxishandbuch: Die neue Personalbemessung: Auf Grundlage der PeBeM-Studie und § 113c SGB XI (1. Aufl). Vincentz.

 

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